Warum sind Objektive rund und Fotos eckig?
BAUWEISE
Ein rechteckiges Objektiv zu bauen wäre vielleicht technisch möglich, aber es wäre viel zu teuer, kompliziert und umständlich im Vergleich zu einem Objektiv, das mit runden Linsen gebaut ist. Abgesehen davon würde es keinen Mehrwert bieten. Runde Linsen lassen sich relativ einfach schleifen, produzieren und in ein Objektiv einbauen. Außerdem müsste zum Beispiel bei einem rechteckigen Objektiv der Fokusring ganz anders funktionieren, da man ihn nicht rund um das Objektiv platzieren könnte.
Vielleicht kennt ihr diese rechteckigen Leselupen, diese Handlupen. Sie sind zwar rechteckig, haben aber trotzdem eine runde Linse verbaut. Dabei ist einfach der Rand oben, unten, links und rechts abgeschnitten, damit die Linse in einen rechteckigen Rahmen passt. Das Bild, das diese Linse produziert, ist jedoch rund. Man könnte das Ganze auch andersherum betrachten: Warum baut man nicht einfach einen runden Bildsensor, der den kompletten Bildkreis von einem runden Objektiv aufnehmen kann? Das ist einfach unpraktisch und nicht wirtschaftlich, aber darauf werde ich im Punkt 5 genauer eingehen.
BOKEH UND SONNENSTRAHLEN
Bei einem runden Objektiv haben wir ein sehr schönes Hintergrundbokeh, das heißt, die Bokehbälle sind auch rund aufgrund der Bauweise des Objektivs. Stellt euch jetzt vor, wir hätten ein rechteckiges Objektiv, dann wären die Hintergrund-Bokehbälle auch keine Bälle, sondern Quadrate oder irgendwelche Rechtecke. Ich glaube, das würde nicht so schön aussehen wie die runden Bälle, die wir kennen. Bei einem rechteckigen Objektiv müsste auch die Blende irgendwie anders funktionieren. Stellt euch mal vor, ihr fotografiert abgeblendet die Sonne, um schöne Sonnenstrahlen zu fotografieren. Das würde bei einer rechteckigen Blende sicher nicht so schön aussehen wie bei einer runden Blende.
OBJEKTIVSCHWÄCHEN
Objektive mit runden Linsen, so wie wir sie kennen, produzieren immer auch runde Bilder. Erst durch die Aufnahme auf einem Film oder Bildsensor werden die Fotos rechteckig. Das hat jedoch auch gewisse Vorteile, denn jedes Objektiv hat am Rand einige Schwächen, wie zum Beispiel eine geringere Schärfe oder Vignettierung. Durch die Beschneidung des Bildkreises durch den Bildsensor wird dieser schwache und schlechte Bereich des Objektivs weggeschnitten. Dadurch sehen wir in den Fotos nur die besten Teile des Objektivs. Es ist nämlich immer leichter, das Objektiv in der Mitte scharf zu berechnen und zu produzieren als am Rand.
Deshalb ist es auch schwierig, bei starken Weitwinkelobjektiven eine hohe Randschärfe zu erreichen. Ihr kennt bestimmt diese starken Fisheye-Objektive, die ein rundes Bild produzieren. Hier wird der gesamte Bildkreis auf dem Sensor abgebildet. In den Ecken sehen wir daher keine Bilder oder Informationen, es ist einfach nur schwarz, und der Rand dieses Bildkreises ist meistens auch schwächer, was die Bildschärfe und Helligkeit betrifft.
LICHTSTÄRKE
Ein rundes Objektiv produziert also auch ein rundes Bild, und damit wir einen ganzen Bildsensor mit Informationen füllen können, muss der Bildkreis des Objektivs natürlich größer sein als der Sensor. Dadurch entsteht übrigens auch der Cropfaktor. Wenn ihr ein Objektiv, das für einen Vollformatsensor berechnet ist, an einer APS-C-Kamera nutzt, bleibt der Bildkreis des Objektivs gleich, nur der Bildsensor ist kleiner und kann weniger Informationen für das Foto aufnehmen.
Dadurch entsteht der Cropfaktor, und dadurch wirken Vollformatobjektive an APS-C-Kameras reingezoomt. Wenn wir jetzt ein rechteckiges Objektiv bauen würden, das genau so groß ist, dass der Bildkreis dieses Objektivs den Sensor komplett abdecken würde, dann würde oben, unten, links und rechts ein Teil der Linse fehlen, da die Linsen dann rechteckig wären. Das bedeutet, es würde weniger Licht durch das Objektiv hindurchkommen, und das Objektiv wäre nicht so lichtstark, obwohl es ein genauso großes Bild auf dem Sensor produzieren würde wie ein typisches Objektiv, das wir kennen.
Ein Objektiv mit runden Linsen, so wie wir es kennen, ist automatisch lichtstärker als ein rechteckiges Objektiv. Das muss man alles ein bisschen relativ sehen, denn wenn wir im Vergleich zu einem runden Objektiv ein doppelt so großes rechteckiges Objektiv produzieren würden, wäre das natürlich lichtstärker.
RECHTECKIGE STANDARDS
Wir leben in einer Welt, die aus rechteckigen Standards besteht. Das bedeutet, alles, was wir haben, ist irgendwie rechteckig. Die Wohnungen, in denen wir leben, sind nicht rund, sie sind rechteckig. Plakate auf der Straße sind nicht rund, sondern rechteckig, genauso wie Handys und Monitore. Überall haben wir rechteckige Standards, weil es einfach billiger und effizienter ist, rechteckige Dinge zu produzieren als runde Dinge.
Es ist also viel einfacher und wirtschaftlicher, rechteckige Bildsensoren zu produzieren als runde Bildsensoren. Ich habe versucht herauszufinden, ob es rechteckige Linsen gibt, aber leider habe ich keine gefunden. Wahrscheinlich hat sie einfach noch niemand produziert, weil es keinen Sinn macht und zu teuer ist. Ich habe auch ein bisschen recherchiert, ob es vielleicht spezielle runde Bildsensoren gibt, zum Beispiel für die Astronomie oder die Industrie, aber leider konnte ich dazu keine Informationen finden.
Natürlich kann man heutzutage auch runde Dinge produzieren, zum Beispiel runde Verpackungen für spezielle und teure Produkte oder für Parfums. Sie sind immer sehr kreativ verpackt und gestaltet. Das ist natürlich möglich, aber total unwirtschaftlich und teuer. Das schlägt sich dann natürlich auch im Preis des Produkts nieder.
Bis neulich.